Der dbb und seine Mitgliedsorganisationen NahVG und komba hatten sich frühzeitig und umfangreich auf die in diesem Jahr anstehenden Tarifverhandlungen in verschiedenen Bereichen des Nahverkehrs vorbereitet. Aufgrund der Corona-Pandemie ist jedoch auch hier Vieles anders abgelaufen, als es ursprünglich geplant war. Die berechtigten Forderungen der Kolleginnen und Kollegen nach besseren Arbeitsbedingungen und Entlastung trafen auf eine pandemiebedingt angespannte wirtschaftliche Lage der Nahverkehrsunternehmen und schwierige Zukunftsprognosen. In fünf Bundesländern fanden in den letzten Woche Tarifverhandlungen statt. Teilweise wurden bereits Ergebnisse erzielt.
TV-N Bayern
In Bayern haben der dbb und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Bayern am 9. November 2020 einen Tarifabschluss mit kurzer Laufzeit vereinbart. Mit diesem Abschluss kann die schwierige Zeit der Corona-Pandemie überbrückt werden. Gleichzeitig wird die Möglichkeit eröffnet, im nächsten Frühjahr erneut über die berechtigten Forderungen der Kolleginnen und Kollegen zu verhandeln.
Die Eckpunkte
Die Einigung enthält folgende Punkte:
– Corona-Sonderzahlung:
700 Euro in den Entgeltgruppen 1 bis 6,
470 Euro in den Entgeltgruppen 7 bis 10,
350 Euro in den Entgeltgruppen 11 bis
15 und 225 Euro für Auszubildende, für Teilzeitbeschäftigte anteilig
– Modifizierung der Bewertung für zusätzlichen Urlaub (in § 14a Abs. 3 Faktoränderung von 2,5 auf 2,25 Prozent, in § 14c Abs. 1 von 0,25 auf 0,225 Prozent)
– Übernahme des TVAöD für die Auszubildenden der Bayerischen Nahverkehrsunternehmen bis zum 31. Dezember 2022
– Laufzeit der Entgelttabellen und des Manteltarifvertrags bis zum 30. April2021
Bewertung der Einigung
Das Ergebnis stellt aus Sicht der dbb Verhandlungskommission einen akzeptablen Kompromiss dar. Die Verhandlungen gestalteten sich äußerst schleppend. Die Forderungen des dbb, die einen Fokus auf die Entlastung der Kolleginnen und Kollegen legten, wurden von der Arbeitgeberseite mit Verweis auf die aktuell schwierige wirtschaftliche Lage der bayerischen Nahverkehrsunternehmen abgelehnt. Eine Besserung sei auch für 2021 nicht in Sicht, weshalb nur ein minimales Budget für den Tarifabschluss vorhanden sei.
Am Ende waren sich die Tarifvertragsparteien einig, dass ein Kurzläufer die beste Option ist. Dadurch wurde die steuerfreie Corona-Sonderzahlung im Dezember 2020 gesichert und die Möglichkeit eröffnet, im nächsten Jahr neu zu verhandeln. Die Verhandlungen über das Entgelt und den Mantel werden im Frühjahr 2021 neu beginnen. Bereits ab März 2021 wollen sich Arbeitgeber und dbb zu Sondierungsgesprächen treffen.
TV-N Berlin
Am 27. November 2020 konnte zwischen dem dbb und dem KAV Berlin eine Einigung für den Tarifkonflikt im Berliner Nahverkehr erzielt werden. Der Kompromiss sieht eine kurze Laufzeit bis zum 31. Mai 2021 und für alle Kolleginnen und Kollegen bei BT und BVG unter dem Geltungsbereich des TV-N Berlin eine steuerfreie Einmalzahlung als Kompensation für die Belastungen durch die Corona-Pandemie vor.
Im Einzelnen verständigten sich die Tarifvertragsparteien auf folgende Inhalte:
– 900 Euro Corona-Prämie für alle Beschäftigten; die Einmalzahlung ist steuer- und sozialabgabenfrei; für Teilzeitbeschäftigte erfolgt die Zahlung anteilig
– 225 Euro steuer- und sozialabgabenfreie Corona-Prämie für alle Auszubildenden bei BT und BVG
– Mantel- und Entgelttarifvertrag werden wieder in Kraft gesetzt. Beide können zu Ende Mai 2021 erstmals gekündigt werden.
– Der TV-Demografie wird ebenfalls wieder in Kraft gesetzt. Die Laufzeit ist bis zum 31. Mai 2021, dann wird neu verhandelt.
– Keine Kürzungen beim Weihnachtsgeld wegen der Streikteilnahme 2020
Verhandlungszusagen
Wichtig ist bei dieser Lösung, dass der dbb über die Arbeitszeitsenkungen, weitere Entgelterhöhungen und das Ende der Schlechterstellung bei der BT bereits ab Mitte 2021 verhandeln kann.In schwierigen Zeiten ist diese Übergangslösung ein guter Kompromiss. Alle Beschäftigten profitieren von einer steuerfreien Einmalzahlung und gleichzeitig bleiben alle Optionen für 2021 erhalten. Dann wissen alle Beteiligten besser, wie sich die Situation im ÖPNV entwickeln wird und welche Spielräume es nach der Pandemie gibt.
TV-N Hessen
Am 4. Dezember 2020 hat eine zweite digitale Verhandlungsrunde zum TV-N Hessen zwischen dem dbb und dem KAV Hessen stattgefunden.
Verbessertes Angebot der Arbeitgeber
Im Vorfeld der Verhandlungsrunde übersandte der KAV Hessen ein im Vergleich zur ersten Verhandlungsrunde verbessertes Angebot. Die Corona-Sonderzahlung wurde erhöht und die Schaffung einer Entgeltgruppe 4F für Fahrer wieder zurückgezogen. Dafür wurde eine Entgeltsteigerung von 99 Euro ab dem 1. April 2021 und um weitere 99 Euro ab dem 1. April 2022 angeboten. Diese Entgelterhöhungen würden für alle Entgeltgruppen gelten. Das Ende der Laufzeit soll von Dezember 2025 auf Dezember 2023 vorgezogen werden. Des Weiteren wurden Entlastungstage angeboten, die teilweise vom Arbeitgeber, aber auch von den Arbeitnehmenden finanziert werden sollen. Diese Entlastungstage werden grundsätzlich an eine mindestens zehnjährige Betriebszugehörigkeit geknüpft.
Diskussionsstand
Die beiden letzten Themen stellten die Hauptdiskussionspunkte der Verhandlungsrunde am 4. Dezember 2020 dar.
Obwohl der dbb der Arbeitgeberseite einen tatsächlichen Berechnungsfehler bei der Berechnungsgrundlage der Entlastungstage aufzeigen konnte und dieser sogar zugestanden wurde, weigerte man sich auf Seiten des KAV, diesen Fehler noch in der laufenden Tarifrunde zu korrigieren. Dieses Berechnungsmodell wirkt sich extrem negativ für die Beschäftigten aus, die die Entlastungstage in Anspruch nehmen wollen, denn sie erkaufen sich die Entlastung teuer. In der Entgeltgruppe 15 kostet ein Entlastungstag knapp 400 Euro.
Zwar äußerte die Arbeitgeberseite Nacharbeitsbedarf, doch könne eine Korrektur erst in der nächsten Tarifrunde zum
TV-N Hessen in 2023 / 2024 vorgenommen werden. Auch die Kopplung an die Betriebszughörigkeit werde nicht über dacht, obwohl es sich um eine freiwillige Inanspruchnahme der Belastungstage handelt. Wir müssen unseren Mitgliedern deshalb dringend davon abraten, diese Entlastungstage zu nutzen. Sie sind ihr Geld nicht wert. Daher sah sich die dbb Verhandlungskommission bisher nicht im Stande, eine faire und zufriedenstellende Einigung zu erzielen. Die Verhandlungskommission kritisiert außerdem, dass die Forderungen des dbb zu Themen des Mantels und der spürbaren Entlastung auf Arbeitgeberseite weiterhin ignoriert werden. Die Verhandlungskommission kommt am 10. Dezember 2020 in digitaler Runde zusammen, um eine Entscheidung zu treffen. Diese wird dann noch am selben Tag dem KAV Hessen übermittelt. Bis dahin finden interne Bewertungen in den einzelnen Betrieben statt.
TV-N Nordrhein-Westfalen
Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen sind am 9. November 2020 unter
der Führung von Andreas Hemsing, stellvertretender Vorsitzender der Bundestarifkommission, mit einem Gesamtpaket abgeschlossen worden. Der dbb hat in den Verhandlungen mit dem KAV NW zusätzlich zum Entgeltplus für den Bereich des TVöD in den Jahren 2020, 2021 und 2022 weitere Verbesserungen in der Eingruppierung erreicht. Für neueingestellte Beschäftigte im Fahrdienst wird die bislang abgesenkte Eingruppierung und Bezahlung damit auf das reguläre Tarifniveau angehoben.
Das Tarifergebnis im Detail
Durchgesetzt haben dbb und NahVG die Abschaffung der Zwei-Klassen-Eingruppierung im Fahrdienst. Der KAV NW kommt dieser Forderung bereits zum Januar 2021 nach. Für vorhandene Beschäftigte im Fahrdienst mit einer abgesenkten Bezahlung erfolgt im Februar 2021 die Überleitung mit einer zusätzlichen Entgeltsteigerung von monatlich 75 Euro in die reguläre Eingruppierung. Hier gelten insbesondere die normalen Stufenregelungen bis einschließlich Stufe 6 mit vergleichsweise rund 380 Euro mehr Monatsentgelt als bisher. Die weiteren Kernpunkte der erzielten Tarifeinigung umfassen neben der im Dezember 2020 steuerfrei zu zahlenden Corona-Sonderzahlung in Höhe von 600 Euro bei Vollzeit beziehungsweise anteilig bei Teilzeit außerdem zwei allgemeine Entgeltanhe bungen zum April 2021 um 1,4 Prozent bei einer Mindestanhebung um 50 Euro sowie zum April 2022 um weitere 1,8 Prozent. Ab dem Jahr 2022 gilt nach dem TV-N NW außerdem ein um 5 Prozentpunkte auf dann 87,14 Prozent angehobener Bemessungssatz für die Jahressonderzahlung in allen Entgeltgruppen.
TV-N Rheinland-Pfalz
In den Tarifverhandlungen mit dem KAV Rheinland-Pfalz am 9. November 2020 hat der dbb eine Einigung erzielt. Die Arbeitgeberseite hat sich in der letzten Runde nochmals bewegt und beide Seiten haben am Ende eines schwierigen Verhandlungsprozesses einen Kompromiss geschlossen. Kernelemente des neuen Tarifvertrags sind eine Corona-Sonderzahlung bis zu 1.000 Euro noch im Jahr 2020, die weitere und künftige Anbindung des TV-N Rheinland-Pfalz an den TVöD und Verbesserungen beim Urlaub.
Eckpunkte der Einigung
– Steuer- und sozialabgabenfreie Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.000
Euro in den Entgeltgruppen 1 bis 8, 800
Euro in den Entgeltgruppen 9 bis 12 und
700 Euro in den Entgeltgruppen 13 bis 15
– Anbindung an den TVöD und Übernahme des Verhandlungsergebnisses zum TVöD
Erhöhung der Tabellenentgelte
– ab dem 1. April 2020 um 1,4 Prozent oder mindestens 50 Euro (Schwellenwert 3.571,43 Euro)
– ab dem 1. April 2022 um weitere 1,8 Prozent
– Erhöhung des Urlaubsanspruchs ab 2022 in den ersten vier Beschäftigungsjahren auf 29 Tage; ab 2024 gibt es 30 Tage Urlaub für alle
– Erhöhung der Jahressonderzahlungen in Mainz um 5 Prozentpunkte und Erhöhung in Trier ab 2021 um weitere 5 Prozentpunkte auf 35 Prozent
– Laufzeit bis zum 31. Dezember 2023
Bewertung
Insgesamt hat der dbb nach intensiven Verhandlungen ein gutes Ergebnis erzielt, was 2020 zu Corona-Zeiten keine Selbstverständlichkeit ist. Es wurde während der Krise ein Ausgleich zwischen der schwierigen finanziellen Situation der ÖPNVUnternehmen und den Interessen der Mitglieder gefunden. Für die weiteren Mantelforderungen wird der dbb nach der Krise wieder in den Ring steigen.